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„Der Austausch in der Gruppe fehlt!“

In der Kontaktstelle PflegeEngagement Reinickendorf in der Trägerschaft der Unionhilfswerk Ambulante Dienste gGmbH werden die Gesprächsgruppen für pflegende Angehörige von freiwilligen Gruppenbegleiter*innen moderiert und begleitet. Die Gruppenbegleiter*innen sprechen von ihren Erfahrungen und den besonderen Herausforderungen in Pandemiezeiten. Außerdem geben sie einen aktuellen Einblick in ihr Engagement in der PflegeSelbsthilfe. Die Koordinatorinnen Christine Gregor und Sabine Freigang haben den Gruppenleiter*innen Fragen gestellt und die Antworten zusammengefasst.

Gesprächsgruppe für pflegende Angehörige
Die von Freiwilligen moderierten Gesprächsgruppen dienen pflegenden Angehörigen dazu, Kontakt zu halten und sich auszutauschen

Ihr seid in der PflegeSelbsthilfe aktiv. Was bedeutet dieser Begriff?

Damit ist die Selbsthilfe im Umfeld von häuslicher Pflege gemeint: von einer Gesprächsgruppe über gemeinsame Aktivitäten bis hin zu nachbarschaftlicher Hilfe. Immer dann, wenn sich Gleichbetroffene gegenseitig unterstützen, sich mit ihrem Expertenwissen zur Seite stehen, gemeinsam aktiv werden, sich ermutigen und sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst helfen, spricht man von PflegeSelbsthilfe. Gruppenangebote der PflegeSelbsthilfe fördern und verbessern die Lebensqualität und Selbstbestimmung von sorgenden und pflegenden Angehörigen und hilfe- und pflegebedürftigen Menschen.

Wie kamt ihr ursprünglich zu eurem Engagement?

Die Zugangswege zu dieser besonderen freiwilligen Tätigkeit waren unterschiedlich. Im Fall einer Gruppenbegleiterin entstand der Kontakt bei einer Veranstaltung der Kontaktstelle und einem anschließenden Gespräch mit einer Mitarbeiterin: „Da mich der Umgang innerhalb der Gruppe miteinander und mit dem schwierigen Thema beeindruckt hat und mich dieses Thema auch betrifft, wenn auch aus einem anderen “Blickwinkel”, habe ich diese Aufgabe übernommen.“ In einem anderen Fall las der Gruppenbegleiter bei der Ehrenamtssuche eine Anzeige in der Berliner Woche. Aufgrund von beruflichen Vorerfahrungen mit Moderation und Gruppenbegleitung nahm er Kontakt zur Kontaktstelle auf und hat „die Entscheidung bis heute nicht bereut. Ich freue mich, dass ich am Leben anderer ein wenig teilhaben darf, sie in schwierigen Zeiten begleite, einen Erfahrungsaustausch in der Gruppe initiiere …; und sehe dies auch als Bereicherung für mein eigenes Leben.“

Wie hat die Pandemie eure freiwillige Tätigkeit verändert?

„Die Pandemie hat unser Engagement sehr verändert, weil die Gruppen nicht mehr oder nur geteilt in Kleingruppen stattfinden können. Es gibt auch viel mehr digitale und telefonische Kommunikation.“ „Der Kontakt mit den Einzelnen ist jetzt intensiver und kommt anders in die Tiefe.“ Doch eine Gruppe kann Themen besser auffangen und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Die Gruppenbegleiter*innen sind sich einig: Gruppentreffen sind vorzuziehen. Sie erleben weiterhin große Wertschätzung durch die Teilnehmenden, die sich über Anrufe freuen und „dass sich jemand kümmert“ oder sich bedanken, dass die Treffen weiterhin stattfinden können.

Wie ist die aktuelle Situation der pflegenden Angehörigen in euren Gruppen?

Die Pflegesituation ist durch die Pandemie insgesamt schwieriger geworden und die physische und psychische Belastung der Angehörigen stark gestiegen. „Es gibt wenig Möglichkeiten der Entlastung oder es ist schwer, das überhaupt zu organisieren, und durch die wegfallenden oder eingeschränkten Gruppentreffen auch weniger Gelegenheit zum Austausch in der vertrauten Gruppe.“

Die Isolation der pflegenden Angehörigen ist noch größer geworden als durch die Pflegesituation ohnehin schon. Möglichkeiten, etwas zu unternehmen, um dem Alltag zu entfliehen, fehlen.  „Gerade bei Älteren gibt es zudem das Gefühl, ein Teil des Lebens wird durch die Einschränkungen genommen, den man nicht nachholen kann, z.B. die Entwicklung der Enkel, Treffen mit Freunden.“ „Manche haben Depressionen aufgrund der Verschlechterung der allgemeinen Lebensqualität durch die Pandemie und keine richtige Perspektive, wann sich das ändert.“

In zwei Gruppen sind in den letzten Monaten mehrere Angehörige verstorben. Neben Trauer und Einsamkeit muss nun auch viel Organisatorisches bewältigt werden: „Über die Bürokratie beklagen sich viele pflegende Angehörige. Zudem fehlt es, durch die aktuelle Situation an Unterstützung. Direkte Unterstützung gibt es in der Regel im Internet. Ältere Menschen werden hier benachteiligt, da sie oft keinen Internetanschluss besitzen bzw. sie keine Erfahrungen mit diesem Medium haben.“ Insgesamt wird in der aktuellen Situation deutlich, welch vielfältige Unterstützung die Gesprächsgruppen bieten können, indem sie persönliche Kontakte ermöglichen, Selbstsorge fördern und Informationen niedrigschwellig zugänglich machen.

Wie haltet ihr den Kontakt zu den Gruppenteilnehmer*innen in der Pandemie?

Wenn Gruppentreffen nicht möglich sind, hat sich vor allem der telefonische Kontakt bewährt. Dies ist eine Möglichkeit, Kontakt mit den Einzelnen zu halten, aber auch die Gruppe zusammenhalten zu können. Die Teilnehmenden freuen sich, dass „sich jemand kümmert, und ein Gruppenbegleiter ist sich sicher, „ohne die Telefonate gäbe es die Gruppe nicht mehr“. Der Kontakt mit den Einzelnen ist jetzt intensiver. Es wird aber auch versucht, den Kontakt der Gruppenteilnehmer*innen untereinander zu initiieren und beispielsweise Telefonate und Spaziergänge anzuregen.

Einige Gruppen können sich weiterhin vor Ort treffen, allerdings geteilt in zwei Kleingruppen, die im Wechsel stattfinden. Die Teilnehmenden sind froh, dass die Treffen überhaupt weitergehen können, wenn auch weniger häufig als sonst. Auch wird „das ganze Drumherum als umständlich empfunden, der Abstand, das Lüften, das Desinfizieren und Maskentragen“. Die Verständigung mit Maske ist insbesondere für Menschen mit Hörbeeinträchtigung erschwert.

Was wünscht ihr euch für eure Gruppe?

Die Einzelkontakte zu den Mitgliedern während der Pandemie zu pflegen, hat die Gruppe zusammengehalten, aber die Mitglieder sehnen sich nach Gruppentreffen, „weil sie in der Gruppe einfach mehr voneinander profitieren, da gibt es mehr Input für alle: Der Austausch in der Gruppe fehlt!“. Sie hoffen, bald wieder „eine lebendige Gruppe zu sein, in der die Teilnehmer*innen untereinander Kontakt haben und Begegnungen auch außerhalb der Gruppentreffen stattfinden“. Während der Pandemie sind auch neue Mitglieder hinzugekommen, mit denen der Austausch bisher nur telefonisch stattfinden konnte. Der Wunsch ist groß, sie endlich auch persönlich kennenzulernen und in der Gruppe zu begrüßen.

Kontakt
Kontaktstelle PflegeEngagement Reinickendorf
Sabine Freigang, Christine Gregor & Alexandra Knorr  I  Projektmitarbeiterinnen
Eichhorster Weg 32 | 13435 Berlin
Telefon: 030 / 41 74 57 52
E-Mail: pflegeengagement@unionhilfswerk.de

Ein Kommentar zu “„Der Austausch in der Gruppe fehlt!“”

  1. Aenne Jurat |

    einen großen Dank an das Team der KPE. sie leisten herrvorragende Arbeit im Hintergrund. Solche Gruppentreffen sind unersetzlich für die pflegenden Angehörigen. Sie brauchen jemanden zum reden, jemanden der ein Ohr hat für IHRE Bedüfnisse und Sorgen. Pflegende Angehörige opfern sich auf für Ihre zu pflegenden, manche mit proffesioneller Unterstützung, manche ohne, bis zur Erschöpfung auf. Die proffessionelle Pflege kann diese Bedürfnisse nicht mal annährend auffangen und müssen so oft die Angehörigen vernachlässigen, obwohl diese genauso psychische pflege brauchen. Einen unendlichen Dank an jeden ehrenamtlichen Mitarbeiter der diesen Menschen zur Seite steht. Und einen unbezahlbaren Dank an das Team der KPE für die ganze Organisation drumherum.

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