Denn abgesehen vom besonderen Charakter eines 75. Geburtstages, liebt Herr Simon Geselligkeit und große Kaffeerunden überhaupt. Gern lädt er Gäste ein und verwöhnt sie am gedeckten Tisch. Mit seinem ansteckenden Lachen und mit allseits bekannten Liedern gewinnt er alle zum Mitsingen. Seine ganz persönliche Note dabei ist stilvolle Kleidung: Am liebsten trägt er Sakko und zu besonderen Anlässen gehören Hemd und Krawatte auf jeden Fall dazu.
Ein richtiges Zuhause im UNIONHILFSWERK
Bevor Herr Simon vor 20 Jahren in die Therapeutische Wohngemeinschaft des UNIONHILFSWERK in Neukölln zog, lebte er als Langzeitpatient in der Karl Bonhoeffer Nervenklinik. Hier hatte er bereits 27 Jahre seines Lebens verbracht. Er zählte damals zu den ersten Bewohnern, die die frisch eröffnete Wohngemeinschaft in der Flughafenstraße bezogen. Diese Wohngemeinschaft zählte zu den Angeboten, die als Teil der Berliner Psychiatriereform ab den 1990er Jahren ins Leben gerufen wurden.
Warum gab es die Reformen?
Die Versorgungssituation für Menschen mit psychischen Erkrankungen war vor diesen Reformen extrem schlecht: Psychiatrische Patienten lebten unter teilweise menschenunwürdigen Bedingungen in Landesnervenkliniken, manche verbrachten dort den größten Teil ihres Lebens. Therapie mit Elektroschocks war üblich, Beschäftigungsmöglichkeiten gab es kaum. Die Patienten verkümmerten auf den Stationsfluren, die Behandlung mit Psychopharmaka steckte in den Kinderschuhen und hatte massive Nebenwirkungen. Die Reformen Anfang der 90er führten dann unter anderem dazu, dass Langzeitpatienten die Kliniken verlassen und in komplementäre Wohneinrichtungen, wie Übergangswohnheime oder Therapeutische Wohngemeinschaften einziehen konnten.
Psychiatriereform eine Rettung für Menschen mit psychischen Erkrankungen
Für Manfred Simon wie für viele andere Mitpatienten waren die Reformen ein großes Glück, ein wichtiger und entscheidender Schritt auf dem Weg in ein normales Leben. Denn das hatte er gehabt, bis er erkrankte. Er wuchs im Prenzlauer Berg auf, ging dort zur Schule und sang im Schulchor mit. Sein Kindheitstraum war es, Automechaniker zu werden. Diesen Traum setzte er um und arbeitete dreieinhalb Jahre als Automechaniker bei einer Firma in Moabit. Als junger Mann fuhr er Ford und Opel und liebt auch jetzt noch Autos. Heute ist er eher mit dem Rollstuhl unterwegs und braucht hierfür Begleitung – sei es, um an guten Tagen beim Bäcker um die Ecke Brötchen zu holen oder in der Natur zu sein.
Wir sagen: Herzlichen Glückwunsch, lieber Herr Simon!