Ich treffe Waseem (26) aus Aleppo, Syrien und Jonas (31) aus München in einer kleinen Kneipe in Berlin-Friedrichshain. Es sind über 30 Grad, die Sonne scheint und ich freue mich sehr auf die beiden. Jonas und Waseem kennen sich seit über 1,5 Jahren und heute möchte ich mit ihnen gemeinsam auf diese Zeit blicken.
Integrationspaten im UNIONHILFSWERK
Die beiden kennen sich durch unser Patenschaftsprojekt „Integrationspatenschaften“ der Stiftung Unionhilfswerk Berlin. Das Projekt stellt Kontakte zwischen Geflüchteten und Alt-Eingesessenen her. Nach einem gemeinsamen Kennlerngespräch treffen die Tandems sich wöchentlich und arbeiten an einem selbstgesteckten Ziel. Als Projektkoordinatorin ist es meine Aufgabe, die beiden zusammenzubringen und sie dann in ihrer gemeinsamen Zeit zu begleiten. Am meisten freue ich mich dann immer über ihre Berichte aus der gemeinsamen Zeit, so wie heute.
Waseem geht es so wie vielen anderen jungen geflüchteten Männern auch. Er hat Syrien verlassen und ist nun alleine in Berlin. Mühsam tappt er sich durch das Behördendickicht von Berlin, stöhnt über all die Briefe, die unübersichtliche Anzahl an Beratungsangeboten, die schwere deutsche Sprache und versucht sich in Deutschland Stück für Stück eine Perspektive aufzubauen. Im Herbst 2016 hat er sich dann mit dem Wunsch nach einem Integrationspaten bei mir gemeldet. Integrationspaten sind Freiwillige, die in besonders viele Rollen schlüpfen: sie sind Lehrer, Eltern- bzw. Geschwisterersatz, Freund und manchmal auch Coach. Aber vor allem sind sie Brückenbauer und Brückenbauerinnen! Sie öffnen Türen und ermöglichen Geflüchteten Zugang zu ihren privaten Kreisen und Kontakt zu „normalen“ Deutschen.
Freiwillige, die sich darauf einlassen, bekommen oft einen intensiven Einblick in die arabische Welt, die Sprache, die Kultur, die Religion und vor allem das Essen. Sie nehmen teil am gemeinsamen Fastenbrechen, an Hochzeiten und Geburtstagen. Sie bekommen aber auch einen wertvollen Außenblick auf unsere Kultur, unser System und geraten dadurch auch in Diskussionen über Werte und Moral.
Aus regelmäßigen Treffen werden oft Freundschaften
Ich freue mich immer, zu sehen wie es zwei Menschen mit so unterschiedlichen Hintergründen gelingt, doch gemeinsame Interessen zu finden und ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen. Auch bei Waseem und Jonas scheint das der Fall zu sein: Seit sie sich im Dezember 2016 kennengelernt haben, haben sie sich mind. 1x im Monat getroffen. Zu Beginn wöchentlich und dann, zu heißen Phasen, auch mehrmals wöchentlich. Dabei waren sie gemeinsam bei Behörden, beim Jobcenter, bei Wohnungsbaugenossenschaften und haben gemeinsam für Deutschprüfungen gelernt. Zwischendurch haben sie auch immer wieder schöne Dinge unternommen, so sind sie zusammen Rad gefahren, Schwimmen gegangen, haben Tischtennis gespielt und verschiedene Restaurants ausprobiert. Heute, 1,5 Jahre später, hat sich die Patenschaft in eine Freundschaft entwickelt. Waseem ist inzwischen aus der Unterkunft des UNIONHILFSWERK in eine eigene Wohnung gezogen und hat begonnen, Arabisch an der Volkshochschule zu unterrichten. Er steht jetzt kurz vor seiner C1 Sprach-Prüfung und auf die Frage, welches der schönste gemeinsame Moment war, antwortet Waseem sofort: „alle Momente mit Jonas sind schön, jedes Treffen, Jonas ist wie mein Bruder.“ Ich grinse über die arabische Floskel und da wird Waseem ernst und fügt leise hinzu „meine Brüder haben wirklich blonde Haare, aber die sind in Aleppo.“
Jonas kann die echten Brüder nicht ersetzen, aber er kann mit seiner Zeit, seiner Freundlichkeit und seiner Offenheit Mut machen und eine Stütze sein auf dem langen Weg in ein selbstständiges Leben in Deutschland.
Über weitere Brückenbauer und Brückenbauerinnen freut sich das Projekt Integrationspatenschaften!
Kontakt: patenschaften@unionhilfswerk.de