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Die Brücke auf dem Weg in eine andere Kultur

Doris aus Berlin und Seddighi aus dem Iran sehen sich eher unregelmäßig – einfach, wenn sie Zeit und Lust dazu haben. Zu Beginn war das anders, denn Doris und Seddighi kennen sich durch eine Integrationspatenschaft.

Doris und Seddighis treffen sich oft einfach, um zu plaudern.

In einer solchen Patenschaft werden geflüchtete Menschen von einem freiwillig Engagierten begleitet, um eine bessere Perspektive für ihr Leben in Deutschland zu entwickeln. Über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten treffen sie sich für 2 bis 3 Stunden in der Woche.

Seddighi und Doris kennen sich seit Januar 2017. Damals fühlte sich Doris durch die vielen freiwilligen Helfer, die sie in den Medien sah, motiviert: „Ich fand es toll, wie die Leute sich engagierten. Und nach einiger Zeit dachte ich: Komm, jetzt musst du selbst auch mal ran!“  Als Planetenphysikerin ist sie tagsüber sehr eingespannt. Sie landete über Umwege im Patenschaftsprojekt des UNIONHILFSWERK.

Seddighi lebte in der Flüchtlingsunterkunft Lichtenberg und war 2017 bereits seit eineinhalb Jahren in Deutschland.  Seine Geschichte bewegt:  Gebürtig ist der 49jährige kurdischer Iraner, lebte aber bereits seit 1998 mit seiner Familie im Irak. Dort führte er ein recht komfortables Leben, bis der IS kam. Seddighi war im Irak Politiker und wagte deshalb 2015 mit seinen drei älteren Kindern die Flucht nach Europa.

Seddighi fühlt sich wohl in Deutschland

Für Politik interessiert Seddighi sich auch in Deutschland, er hat sich alle Parteien intensiv angesehen. Besonders die Grünen haben es ihm dabei angetan: „Die Ideen, die die Politiker haben sind gut, aber an der Umsetzung hapert es manchmal.“ Davon, wie es noch besser laufen könnte, hat er einige Vorstellungen, auch in Bezug auf den aktuellen Umgang mit Flüchtlingen. Denn die müssten viel besser eingebunden werden, etwa unentgeltlich Parks säubern und so die Berliner Kommunen entlasten. Seine Augen leuchten, als er von seinen Ideen erzählt.

Dass Seddighi beim Thema Politik in einen Redefluss kommt, wundert Doris nicht. „Zu einem unserer ersten Treffen hatten wir uns im Naturkundemuseum verabredet. Das war für Seddighi aber so langweilig, dass er die ganze Zeit nur erzählt und sich überhaupt nichts angesehen hat.“ Seitdem gehen sie lieber spazieren oder treffen sich bei einem von beiden zuhause. Besonders die deutsche Kultur möchte Seddighi so besser kennenlernen: „Unsere Kulturen sind natürlich sehr unterschiedlich“, erzählt Doris: „aber es gibt auch überraschende Ähnlichkeiten: Im Frühjahr hat Seddighi mich tatsächlich in den April geschickt.“

Hürden überwinden

Eine große Hürde sehen beide in der deutschen Bürokratie. Die sei für einen Geflüchteten ohne die Hilfe eines Deutschen gar nicht zu meistern. Doris hilft Seddighi, so gut sie kann.

Ende letzten Jahres konnte Seddighi aus der Unterkunft des UNOINHILFSWERK ausziehen. Gefunden hat er die Wohnung ganz allein: „Meine Apothekerin hat mir die Wohnung vermittelt“, erzählt er strahlend. „Doris hat mir dann bei der Einrichtung geholfen, ihr Mann hat unsere Küche aufgebaut.“ Die eigene Wohnung kam zum richtigen Zeitpunkt, denn seit ein paar Monaten war endlich auch seine Frau mit dem jüngsten Kind nach Deutschland gekommen.

Seddighis Aufenthaltsgenehmigung reicht aktuell bis 2020, seine Ziele steckt er aber auch darüber hinaus. Das nächste große Ziel ist der deutsche Führerschein: „Ich bin 27 Jahre lang Auto gefahren und hier in Deutschland darf ich es dann nicht mehr.“ Den Führerschein braucht er, damit er seinen Wunschberuf ergreifen kann: Bus- oder noch besser Taxifahrer, denn: „Ich erzähle doch so gern.“

 

 

Hintergrund

Die große Zahl geflüchteter Menschen, die seit 2015 nach Deutschland kamen, hat eine große der Hilfsbereitschaft und Solidarität ausgelöst. Seit dieser Zeit leisteten laut dem statistischen Bundesamt über die Hälfte unserer Bevölkerung Hilfe für Geflüchtete – insbesondere zu Beginn des Zustroms.

Die Situation vor drei Jahren hatte einiges gemein mit der Zeit, in der das UNIONHILFSWERK entstand: Nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich tatkräftige Berliner Bürger dort „halfen, wo Hilfe gebraucht wird“, dem ursprünglichen Leitsatz des UNIONHILFSWERK. Konsequent haben wir dieses Credo weiterentwickelt. Heute gibt es im UNIONHILFSWERK  für die Koordination unserer freiwillig Engagierten das Freiwilligenmanagement. Seit 2016 auch ein Patenschaftsprojek für geflüchtete Menschen, das bereits über 100 Patenschaften vermittelt hat. So auch die Patenschaft zwischen Doris und Seddighi. 

Nachdem die akute Notsituation überstanden war, ging die Zahl Engagierter wieder ein gutes Stück zurück. Aber auch heute sind Freiwillige in der Arbeit mit Geflüchteten wichtig – denn nur gemeinsam kann eine gute Integration gelingen.

 

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