Ehrlich gesagt, ein bisschen mulmig war mir am Montagmorgen schon zumute, als ich mich auf das mit zwei Satteltaschen bepackte Fahrrad schwang, um zur Arbeit zu fahren. Die ganze Zeit hatte ich mich auf diesen Ausflug mit den Klienten des Betreuten Einzelwohnens vom Wohnverbund Mitte gefreut – von langer Hand im Kollegium vorbereitet.
Entspannung ist besonders im Sommer schwierig
Entstanden war die Idee dazu im Gespräch mit einer Klientin. Gerade wenn es draußen so warm ist, die Stadt sonnendurchflutet, voller schwitzender Menschen und stinkender Autos, dann fällt es ihr besonders schwer, ihre Wohnung zu verlassen. Sie saß mir in einem schattigen Café gegenüber, froh, dass sie es zum vereinbarten Termin geschafft hatte. Ihr hübsches Gesicht wie immer, wenn es ihr nicht gut ging, geschützt durch eine große, dunkle Sonnenbrille und ein tiefsitzendes Basecape. „Ich halte es kaum noch aus, die ganze Stadt geht mir so auf die Nerven, wenn mir heute einer blöd kommt, dann…“ Sie sehne sich so sehr nach Natur, Ruhe und Vogelgezwitscher.
Da erzählte ich ihr von dem See, der tagsüber Badestrand ist, an dem man aber ab 20 Uhr übernachten und dann Ruhe und Natur exklusiv genießen kann. Ja, und so planten wir gemeinsam diesen Ausflug mit Übernachtung am Kiessee in Schildow. Es meldeten sich überraschend noch weitere fünf Klienten an.
Vor dem Ausflug sind alle aufgeregt
Aber jetzt, wo es endlich soweit war, kamen in mir leise Zweifel auf: Halten die Leute, die sich in ihrer normalen Isoliertheit eingerichtet haben, 32 Stunden Gemeinschaft aus? Können sie es ertragen, dass das Gelände um den See ab 20 Uhr ab – und wir darauf eingeschlossen werden? Wird auch wirklich jeder einen Schlafsack, eine Isomatte und ein Zelt abbekommen? Was tun, wenn einer plötzlich von Panik befallen wird…?
Im Büro angekommen erwartete mich ein freudig aufgeregtes Treiben. Überall standen verpackte Zelte und Rucksäcke herum und Kollegen und Kolleginnen wuselten durcheinander. Nachdem ich den Bus abgeholt hatte und wieder ins Büro eilte, sprangen mir schon zwei junge Frauen entgegen, über eine Stunde vor dem verabredeten Termin: „Wir wollten lieber früher hier sein, als zu spät, wir sind doch so aufgeregt!“ Allmählich lösten sich meine Bedenken auf und machten routinemäßiger Geschäftigkeit Platz. Hier ein Wort, dort einen Kaffee oder ein Wasser angeboten, später das Gepäck im Bus verstaut und endlich los.
Am Kiessee herrschte noch reger Badebetrieb. Schnell fanden wir einen geeigneten Platz für unsere Zelte und dann ging es erst einmal ab ins kühle Nass. Beim Aufbau der Zelte wurden Erinnerungen ausgetauscht: „Das ist jetzt fast 20 Jahre her, dass ich in einem Zelt geschlafen habe!“; „Früher sind wir mal mit meinem Vater zelten gewesen…“. Während sich der Strand um den See allmählich leerte, versammelten wir uns um die Schüssel mit Kartoffelsalat und Bouletten und das Mückenspray wurde reihum gereicht.
Die Stille zeigt ihre Wirkung in besonderer Weise
Und plötzlich war es still um uns herum. Nur die Vögel, die in der Ferne vorbeifahrende S-Bahn und unsere sanft dahin plätschernden Gespräche waren noch zu hören. Der See lag in der Abendsonne wie ein großer Spiegel vor uns, gesäumt von Schilf und einigen reglos verharrenden Graureihern. Es mag vielleicht kitschig klingen – aber die äußere Ruhe und Friedlichkeit legte sich wie ein Schleier über uns und machte uns für Stunden eins mit der Natur und dem Augenblick. Eine Teilnehmerin spazierte gemächlich um den See, eine andere saß mit den Füßen im Wasser am Strand und rauchte mit versonnenem Blick eine Zigarette, andere spielten zwischen den Zelten Mensch-ärgere-dich-nicht, später Fuß- Wasser- Volleyball oder Tischtennis. Allmählich wurde die Gruppe kleiner und mit dem letzten Licht verschwand auch der letzte Teilnehmer im Zelt. Himmlische Ruhe!
Am Morgen weckte uns dann ein Vogelkonzert. Nach und nach schälte sich eine verschlafene Gestalt aus jedem der Zelte, ein Campingkocher zischte und wenig später roch es verlockend nach Kaffee. Aus dem morgendlichen Schwimmen entwickelte sich eine ausgelassene Wasserschlacht um die kleine Badeinsel in der Mitte des Sees. Danach, bei einem letzten Kaffee am Strand, blickte ich in zwei strahlende Augen: „Es ist wunderbar inmitten so fröhlicher Menschen in den Tag zu starten!“
Selten konnte ich die positive Wirkung unserer Arbeit so direkt und intensiv erleben, wie an diesen zwei Tagen, ging es mir wenig später in der S-Bahn durch den Kopf, da zeigte mein Diensthandy eine neu eingegangene Nachricht an: „Danke für diesen schönen Ausflug!!!“
Super! So macht Arbeit Spaß.
So ein schöner Bericht und eine tolle Idee. Ich hätte gerne mal die Kontaktdaten zu diesem Campingplatz. Ich könnte mir gut vorstellen, das dieses Angebot auch in unserem Bereich „Liebhaber“ finden würde.