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Film: Hoffnung geben

Petruna Cvetanova arbeitet seit 2006 in der Zuverdienstwerkstatt des UNIONHILFSWERK. Jetzt ist ein Film entstanden, der Frau Cvetanova und ihren besonderen Blick auf die Corona-Pandemie darstellt. Heute beschreibt sie für uns, wie die Idee zu dem Film entstand, welche Ziele er verfolgt und warum die Arbeit in der Zuverdienstwerkstatt für sie eine so große Rolle spielt.

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Mein Name ist Petruna Cvetanova und ich bin 65 Jahre alt. Geboren und aufgewachsen bin ich in Makedonien. 1975 kam ich für einen familiären Besuch zum ersten Mal nach Deutschland. Es war geplant nur drei Monate zu bleiben, geblieben bin ich dann für immer, weil mir die Liebe begegnete. Ich habe hier geheiratet und zwei Kindern das Leben geschenkt. Soweit es mir möglich war, habe ich in der Küche, als Produktionshelferin und Reinigungskraft gearbeitet. Es war nicht einfach als sogenannte Gastarbeiterin in Deutschland zurecht zu kommen, aber ich hatte meine Familie, die mir halt gab.

Die Bedeutung der Zuverdienstwerkstatt – und des Schreibens

Eine erste Psychose im Jahr 1982 warf mich aus der Bahn. Aufgrund immer wieder auftretender Episoden wurde ich 1994 wegen Berufsunfähigkeit berentet. Seit 2006 arbeite ich in der Zuverdienstwerkstatt des UNIONHILFSWERK. Hier fand ich eine sinnvolle Beschäftigung und soziale Kontakte. Der Austausch mit anderen Betroffenen ist mir wichtig, denn ich verstehe sie und sie verstehen mich. Aus Kolleg*innen sind im Laufe der Zeit Freund*innen geworden. Durch die Mitarbeiter*innen der Zuverdienstwerkstatt erfahre ich Unterstützung und viel Zuwendung. Alle sind mir sehr ans Herz gewachsen.

Im Verlauf meiner Erkrankung kam mir die Idee, meine Gedanken und Gefühle zu Papier zu bringen, um sie mit meiner Familie, Freunden und anderen Betroffenen zu teilen. Es geht mir dabei um Verständigung bezüglich meiner Erkrankung, aber auch um eine Auseinandersetzung mit meiner zweiten Heimat Deutschland. Gerade während der Psychosen erlebte ich Deutschland als eine Art Feindesland, was vermutlich auf meine Erfahrungen mit Ausgrenzung und Diskriminierung zurückzuführen ist. Um mich auch in schriftlicher Form auf Deutsch richtig ausdrücken zu können, besuche ich seit 2016 Kurse beim Verein „Lesen und Schreiben e.V.” in Berlin-Neukölln.  Seit dieser Zeit schreibe ich regelmäßig über Alltagsthemen, die mich berühren.

Als aufgrund von Corona die Zuverdienstwerkstatt im Zuge des Lockdowns geschlossen wurde, war es sehr schwer für mich, auf den liebgewonnenen Tagesablauf und die sozialen Kontakten zu verzichten. Also habe ich vermehrt meine Gedanken zu Papier gebracht.

Ich fand “Das Corona-Virus”

Bei einem meiner Spaziergänge, die ich während des Lockdowns unternahm, fand ich “das Corona-Virus“. Auf einer Baustelle lag eine aufgeplatzte Silikonkartusche. Die ausgetretene Silikonmasse hatte sich zu einem schmutzig grauen, unansehnlichen Gebilde verformt. Diese Gebilde entsprach meiner materiellen Vorstellung des Corona-Virus. Ich nahm es mit nach Hause. Nachdem die Zuverdienstwerkstatt wieder geöffnet hatte, habe ich das Gebilde mit zur Arbeit genommen, um es allen zu zeigen. Im Gespräch mit Frau Brüggemann, die in der Zuverdienstwerkstatt als Ergotherapeutin arbeitet, habe ich dann erwähnt, dass ich zu meinem Umgang mit dem Corona-Virus Texte schreibe.

Frau Brüggemann hatte dann die Idee, eine Lesung meiner Texte per Kamera aufzunehmen und als Videoinstallation im Rahmen der Woche der seelischen Gesundheit zu zeigen. Leider wurde aufgrund der Pandemie nichts daraus . Dann hat Anfang des Jahres Herr Sühwold, Genesungsbegleiter in der Zuverdienstwerkstatt, meine Texte gelesen und wir haben zu dritt überlegt, wie wir diese Texte filmisch in Bilder umsetzen könnten. Ziel des Films ist es, Menschen Hoffnung zu schenken, dass schwere Zeit und Krisen überwunden werden können.

Herr Sühwold und ich haben gemeinsam die Texte bearbeitet und die Kernaussagen herausgefiltert. Diese Texte habe ich vor der Kamera gelesen. Dann sind wir zu dritt mit der Kamera in Neukölln unterwegs gewesen, um die passenden Bilder zu finden. Die Dreharbeiten waren für mich sehr schön, da ich mich bei den beiden sicher und aufgehoben gefühlt habe. Den kompletten Schnitt des Films haben Peter Sühwold und Gisela Stutzke, eine Medienfachfrau, in mühevoller Kleinarbeit ehrenamtlich übernommen.

Durch einen schlimmen Verlust brach meine Stabilität wieder zusammen

Kurz vor Fertigstellung des Films kam mein Mann mit einer Coronainfektion ins Krankenhaus und verstarb. Durch die Belastung und tiefe Trauer brach meine Stabilität zusammen und ich geriet erneut in eine Psychose.

Den fertigen Film habe ich erst vor kurzem das erste Mal gesehen. Auch wenn ich den Film sehr mag, war es schwierig für mich, mich selbst als psychisch stabilen Menschen zu sehen. Im Moment steht meine Stabilität noch auf tönernen Füßen, aber der Film hat seine Wirkung, wie ich beim zweiten Schauen feststellen konnte. So stabil und voller Hoffnung wie ich im Film bin, möchte ich wieder werden. Ich hoffe, dass andere Betroffene und auch nicht Betroffene diesen Hoffnungsschimmer im Film wahrnehmen und nicht den Mut verlieren in schwierigen Zeiten.

Ein Kommentar zu “Film: Hoffnung geben”

  1. Frances |

    Eine ergreifende Geschichte – Danke an die Zuverdienst-Werkstatt Neukölln!!!
    Weiterhin nur das Beste für die Beschäftigten und das Team vor Ort 🙂

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