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Validation im UNIONHILFSWERK – Empathie schafft Vertrauen

Das UNIONHILFSWERK ist mit dem Kompetenzzentrum Palliative Geriatrie seit diesem September eine Autorisierte Validationsorganisation nach Naomi Feil (AVO) ©. Was Validation genau bedeutet und warum sie nicht nur in der Altenpflege, sondern für uns alle wertvoll sein kann, haben wir im Gespräch mit Hedwig Neu erfahren.

Hedwig Neu begleitet das UNIONHILFSWERK auf der Reise zur Autorisierte Validationsorganisation. Sie arbeitet für die Diakonissen Speyer und ist Validation-Master.

Ziel des UNIONHILFSWERK ist es, die Palliative Geriatrie mit der Validation® sowohl in den eigenen pflegerischen Einrichtungen, als auch darüber hinaus voranzutreiben. Denn Validation ist nicht nur eine Kommunikationsmethode und Entwicklungstheorie, sondern auch eine Haltung. Sie liefert neben der Anwendung in der Arbeit mit Menschen mit Demenz grundsätzliche Impulse für uns als Personen in unseren beruflichen wie privaten Rollen. Aus diesem Grund war am 18. November für alle leitenden Mitarbeiter*innen des UNIONHILFSWERK eine Auftaktveranstaltung zu diesem Thema geplant. Infolge der Corona-Pandemie wurde sie auf das nächste Jahr verschoben.

Weil uns das Thema wichtig ist, haben wir eine zentrale Beteiligte an dieser Veranstaltung, Hedwig Neu, hierzu befragt. Sie arbeitet bei den Diakonissen Speyer, ist Validation-Master und leitet eine AVO© in Wachenheim an der Weinstraße.

 

Frau Neu, was hat Sie persönlich dazu bewogen, sich tiefergehend mit Validation zu beschäftigen?

Ich habe sowohl in meinem privaten Umfeld als auch in meiner beruflichen Tätigkeit als Krankenschwester immer wieder erlebt, dass meine Umgangsweisen mit dementen Menschen ins Leere laufen. Ich erinnere mich eindrücklich an einen Patienten im Krankenhaus. Ich war gerade „frisch examinierte“ Krankenschwester und hatte Nachtdienst.  Bei meinem Rundgang sah ich einen älteren Herrn, der dabei war, das Bettgitter an seinem Bett zu übersteigen. “Was machen Sie denn da?“, fragte ich ihn. „Ich muss nach Hause zu meinen Kindern, meine Frau ist krank!“ entgegnete der Herr.  Offensichtlich wusste er nicht, dass seine Frau schon verstorben war und die Kinder erwachsen. Realitätsorientierende Erklärungsversuche halfen genauso wenig wie die Notlüge, dass ich dafür gesorgt hätte, dass die Kinder gut untergebracht seien und ich mich vergewissert hätte, dass es seiner Frau gut ging.  Der Patient wurde immer wütender und versuchte, mich zu schlagen.  Der herbei gerufene Arzt verordnete Beruhigungsmittel und die damals noch übliche Fixierung für 24 Stunden. Intuitiv habe ich wahrgenommen, wie verzweifelt Menschen mit Demenz in solchen Situationen sein können.  Ich habe mir öfter gewünscht, einen anderen Zugang zu finden. Die damals übliche Praxis, Menschen mit Demenz und uns herausforderndem Verhalten Beruhigungsmittel zu verabreichen und zu fixieren fand ich grausam. Schließlich habe ich im Jahr 1996 einen Workshop mit Naomi Feil – der Begründerin der Validation besucht und dort verstanden, dass das Verhalten von Menschen mit Demenz einen Grund hat und ich lernen kann, empathisch ihre Bedürfnisse und Gefühle zu erkennen und zu begleiten.

Was ist das Besondere dieser Methode – im Vergleich zu anderen?

Da gibt es mehrere Aspekte, die ich beschreiben möchte.

Das Menschenbild:  Validationsanwender*innen verstehen desorientiertes Verhalten von alten Menschen mit Demenz als einen berechtigten Ausdruck von Gefühlen und Bedürfnissen in der letzten Lebensphase.  Naomi Feil sagt dazu: „Alte Menschen mit Demenz müssen mit ihren oft ein Leben lang verdrängten Gefühlen und Bedürfnissen ringen, um in Frieden sterben zu können“.

Die Art und Weise der Kommunikation: Validationsanwender*innen versuchen nicht, Menschen mit Demenz zu korrigieren, sie von ihren Vorhaben abzubringen, ihre Aussagen zu beschwichtigen und davon abzulenken. Sie stellen sich mit Einfühlungsvermögen auf ihr Gegenüber mit Demenz ein und erklären die Gefühlsäußerungen und Bedürfnisse für gültig, indem sie bedingungslos zuhören, sich bedingungslos einlassen. Empathie schafft Vertrauen und stellt die Würde wieder her.

Die an die jeweilige Phase angepassten Validationstechniken: Validationsanwender*innen beherrschen Techniken verbalen, aktiven Zuhörens zum Wiederspiegeln von Gefühlen und Bedürfnissen genauso gut, wie nonverbale Techniken. Sie können durch Spiegeln der Bewegung, der Stimme, durch die Musik und durch gezielte, verankerte Berührungen Menschen mit Demenz in fortgeschrittenen Phasen weiter begleiten und verlieren nie den Kontakt.

Die Validationsgruppe: In diesen Gruppen kommen Menschen mit Demenz zusammen, die sonst von Gruppenaktivitäten eher nicht profitieren. In diesen Gruppen erleben wir, dass Personen, die schon länger nicht mehr viel gesprochen haben, wieder anfangen, zu sprechen und Rollen zu übernehmen, während sie im Alltag eher als zurückgezogen oder herausfordernd wahrgenommen werden.  Validationsgruppenleiter*innen haben gelernt, Menschen mit Demenz in fortgeschrittenen Phasen in Kontakt miteinander zu bringen.

Welche Bedeutung hat die Validation in der aktuellen Zeit, in der alte Menschen aufgrund der Pandemie ihre Lieben zum Teil gar nicht oder nur sehr eingeschränkt begegnen können?

Diese Frage habe ich auch vielen Mitarbeitern*innen in den Seniorenzentren der Diakonissen Speyer gestellt, als es nach dem ersten Lockdown wieder möglich war, Validationsseminare- und Kurse zu veranstalten. Die Mitarbeiter*innen waren einhellig der Meinung, dass Gefühle von Angst und Einsamkeit und Erinnerungen an Krisenzeiten in der Vergangenheit durch Validation rechtzeitig erkannt und begleitet werden konnten. Dadurch wurde bei vielen alten Menschen mit Demenz ein weiterer Rückzug verhindert. Ich selbst habe nicht nur in Gesprächen mit Mitarbeitern*innen sondern auch im eigenen Kontakt mit den Bewohnern*innen in dem Seniorenzentrum, wo das Validationszentrum seinen Sitz hat, erfahren dürfen, dass Validation in dieser Zeit nicht nur den alten Menschen geholfen hat, sich nicht allein gelassen zu fühlen, sondern dass auch die An- und Zugehörigen davon profitiert haben, dass man sie in ihrer Not angehört hat.  Das war sicher ein wesentlicher Beitrag zum Abmildern der Erfahrung von Kontakteinschränkungen und Distanzerfahrungen.  Ich habe sowohl bei den Mitarbeitern*innen als auch bei den uns anvertrauten Bewohnern*innen gesehen, dass Validation Grenzen überbrückt. Selbst die Schutzkleidung, die Mund- Nasenbedeckung oder das Visier stellen kein Hindernis dar, wenn wir mit Wertschätzung und Respekt Kontakt herstellen und einfühlsam auf andere Menschen zugehen. Validation ist zudem eine Kurzzeitintervention.

Lässt sich Validation auch auf andere Lebens- und Arbeitsbereiche übertragen bzw. generalisieren?

Die Validation nach Naomi Feil wurde für die Begleitung von hochaltrigen Menschen mit Demenz in der letzten Lebensphase entwickelt.  Die drei Säulen der Validation sind: Theoretische Grundannahmen zum hohen Alter, wertschätzende, achtsame und empathische Grundhaltung und 15 nonverbale und verbale Validationstechniken, die mit Empathie angewendet der betroffenen Person Raum und Resonanz für das geben, was jetzt ausgedrückt und gesagt werden muss.

Personen aus anderen Lebens- und Arbeitsbereichen stehen an einem anderen Punkt an ihrem Leben oder so gesagt, sie sind nicht mit dem Aufarbeiten unerledigter Angelegenheiten im Zustand der Hochaltrigkeit, Gebrechlichkeit und der Demenz beschäftigt.  Trotzdem erleben und durchleben wir alle, egal in welchem Lebens- und Arbeitsbereich doch Krisen und Konflikte. Es gibt Lebensphasen, in denen unsere Gefühls- und Bedürfnisebene sehr aktiv ist.  So gesehen brauchen wir alle von der Wiege bis zur Bahre zeitweise ein Gegenüber, das uns „validiert“, uns mit Achtsamkeit begegnet, uns mit Einfühlungsvermögen versteht und sich auf uns so wie wir eben sind, einlässt. Ich finde, dass liebende Mütter sich mit Liebe und Einfühlungsvermögen an ihre Säuglinge anpassen und ohne Worte die Bedürfnisse und Gefühle ihrer Kinder verstehen können. Ich kenne einige Mitarbeiter*innen der Behindertenhilfe, die mit viel Einfühlungsvermögen schwer mehrfach behinderte Menschen mit und ohne Demenz begleiten.  Ich bin überzeugt und habe selbst schon die Erfahrung gemacht, dass junge Menschen mit Demenz von Validationstechniken profitieren, selbst wenn sie vom Lebensalter her mitten im Leben stehen und nicht in der Phase der Hochaltrigkeit auf ihr Leben zurückblicken und ich weiß, dass Hospizhelfer auf Empathie basierende Kommunikationstechniken verwenden, um Sterbende zu begleiten.

Was ist Ihre Vision für die Zukunft im Hinblick auf die Validation?

Meine Vision ist, dass Validation zur alltäglichen Kommunikation mit alten Menschen mit Demenz wird.  Meine Vision ist, dass Validation als wesentlicher Bestandteil von palliativer Geriatrie fachliche Anerkennung erfährt. Meine Vision ist, dass ich, sollte ich selbst einmal alt und dement werden, nicht über meine kognitiven Beeinträchtigungen definiert werde, sondern über mein Menschsein. Meine Vision ist, dass wir Menschen in den Zeiten unseres Lebens, in denen wir besonders verletzlich sind, validierend begleitet und nicht allein gelassen werden. Ich glaube, dass Validation ein Grundrecht ist, das alten Menschen (mit Demenz) insbesondere in ihrer letzten Lebensphase zusteht.

Ein Kommentar zu “Validation im UNIONHILFSWERK – Empathie schafft Vertrauen”

  1. Mechthild Neu |

    Eine großartige Methode! Und erstaunlich wirksam. Sowohl in einem Krankenhaus, wo Mitarbeiter in der Anwendung von Validation geschult wurden, als auch bei einzelnen Mitarbeitern in einen Altenzentrum konnte ich feststellen, dass sich Erfolge und Fortschritte im Umgang mit Senioren einstellen. Da verändert sich eine Grundhaltung bei den geschulten Mitarbeitern.

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