Im Unterschied zu privat gehaltenen Besuchshunden, die in Einrichtungen gebracht werden, unterstützt ein Begleithund direkt die Arbeit des Fachpersonals. Aus der zielgerichteten Interaktion zwischen Tier und Kleinkindern entstehen positive Effekte auf ihre kognitiven und sozialen Vermögen. Zusätzlich wird die frühkindliche Persönlichkeitsentfaltung gefördert.
Eine besondere Ausbildungssituation
Die Ausbildung zum Therapie- und Begleithund dauert üblicherweise zwischen 12 und 18 Monaten. Gesetzliche Vorgaben dafür gibt es in Deutschland bisher nicht. Ganz im Gegensatz zur Schweiz und Österreich, wo die Schulung bereits in einen rechtlichen Rahmen gegossen wurde.
„Ich hatte es mir ganz anders vorgestellt“, sagt Nadine Baerwald. „Dass es in der Ausbildung hauptsächlich um Menschen geht. Tatsächlich ging es ganz viel um das Hundewohl.“ Tierschutzrechtliche Fragen sowie das Kennenlernen des eigenen Vierbeiners und seiner Sprache standen auf dem Programm.
Gemeinsam mit Cookie wollte sie das Pflichtpraktikum im Montessori-Kinderhaus in der Zehlendorfer Lissabonallee absolvieren. Dort war man überaus offen für das Thema.
Eltern und Kindern die Ängste nehmen
Im Vorfeld wurden die Eltern über die Hintergründe informiert und ihre Einverständniserklärungen eingeholt. „Ich stellte meinen Hund vor und mich selbst“, schildert sie das Treffen. „Die Eltern konnten alle Fragen loswerden. Ängste wurden auch besprochen und konnten früh aus dem Weg geräumt werden.“
Auch die Kinder der Kita wurden zuvor geschult. Sie erhielten spannendes Wissen zu den Themen: Wie spricht ein Hund? Wie verhält er sich? Was darf er überhaupt fressen?
Dann musste das Hund-Mensch-Team beweisen, was es gelernt hat: Zwei theoretische und vier praktische Einheiten gehörten zu den Praktikumsanforderungen. Die Kinder waren mit Begeisterung dabei. Leckerlis zählen, gemeinsamer Spaziergang in der Natur, zusammen Bücher anschauen oder Kuscheln: Die Kleinen schlossen Cookie schnell ins Herz, und der erste Kita-Einsatz wurde ein Erfolg.
Nadine Baerwalds Praktikum brachte einen Stein ins Rollen: Nicht nur, dass sie beruflich mit ihrem Hund direkt ins Montessori-Kinderhaus hinüberwechselte. Auch Kollegin Ilka Posin verfolgte die Sache weiter. Nach dem Tod des eigenen Hundes fand sie mit glücklicher Fügung einen neuen: Den jungen Mischling „Fatzke“, mit dem sie 2022 selbst die Ausbildung zum Pädagogischen Begleithund durchlief.
Cookie und Fatzke – Zwei Vierbeiner im Einsatz
Cookie, den die Kinder aufgrund seiner Krümelleidenschaft „Staubsauger“ nennen, kommt zweimal die Woche in die Kita – der Fatzke dreimal.
Beide Hunde haben ihren Rückzugsort, um zu signalisieren: „Nein, ich möchte gerade nicht! Ich brauche Pause!“ Außerdem vermeidet man, dass Cookie und Fatzke gleichzeitig in der Kita anwesend sind. Das Konkurrenzverhältnis könnte auf Dauer für die Tiere zu anstrengend werden.
„Fatzke und Cookie haben völlig unterschiedliche Vorlieben und Abneigungen“, weiß die Pädagogin. „Und danach können wir unsere Angebote gestalten.“ Weil sich Cookie nicht so gerne anfassen lässt, werden mit ihm primär Sport- und Bewegungsspiele gemacht. Das fördert die Grob- und Feinmotorik. Zusammen mit einem Wauwau machen Türmchen-Bauen und Hindernisparcours viel mehr Spaß.
Fatzke wiederum ist ein richtiger Kuschelhund. Allerdings ist es Nadine Baerwald wichtig zu betonen, dass er weder Stofftier noch Roboter ist: „Er ist ein Lebewesen mit eigenem Charakter.“ Kinder müssen das respektieren und lernen dadurch, ihre Impulse zu kontrollieren und ihr Einfühlungsvermögen zu schulen.
Ein wichtiger Baustein der tiergestützten Pädagogik ist, dass die Kinder den Umgang mit Hunden verbessern. „Vor allem in Berlin sind viele Vierbeiner unterwegs“, weiß sie aus Erfahrung. „Oft haben Kinder Beißerfahrungen, weil sie auf die Tiere zugestürmt sind.“ Eltern begrüßen es daher, dass in der Kita ein korrektes Verhalten gegenüber Hunden beigebracht wird.
Positive Geschichten aus der Praxis
Im Montessori-Kinderhaus wurden bisher mit Fatzke und Cookie eine Reihe schöner und interessanter Erfahrungen gemacht.
So wollte eines der Kinder aus Ilka Posins Gruppe anfangs nicht in die Kita, weinte und klammerte sich an die Mutter. Doch als in den Raum schaute und den Hund entdeckte, meinte es: „Tschüss Mama, ich gehe jetzt zum Fatzke!“
Ein Mädchen, das sonst sehr verhalten war, trug an den Cookie-Tagen einen schwarzweiß gepunkteten Pullover. Damit spiegelte es die Fellfarbe des Labrador-Mischlings. Aus Respekt wollte das Kind mit dem Hund nicht in die direkte Interaktion treten, aber seinen Spaß am Tier mit der Kleidungsfarbe ausdrücken.
Auch in den Familien daheim wird das Hunde-Thema groß. Die Eltern müssen sich mit der Frage beschäftigen, ob sie sich einen Vierbeiner anschaffen wollen. Und manchmal werden sie von ihren Kindern dazu gedrängt, zuhause „den Hund zu spielen“. Die Kleinen wollen ihre in der Kita erlernten „Tier-Regeln“ anwenden – was wiederum der Sprachentwicklung zu Gute kommt.
Ein anderes Mädchen hatte es schwer in der Gruppe, war oft ausgeschlossen und spielte alleine. Für sie waren die Tage mit Cookie echte Highlights. Sie wusste nämlich: „Der Cookie hat keine Vorurteile und ist nicht nachtragend. Der kommt einfach und kuschelt mit mir.“ Durch seine Interaktion mit dem berührungsscheuen Tier wurde das Mädchen indirekt in die Kita-Gruppe integriert. Weil die Anderen gesehen haben: „Oh, mit ihr kuschelt der Cookie, aber mit mir nicht?“ Dadurch bekam das Kind einen neuen Status und wurde befragt, wie man mit dem Labrador-Mischling am besten umgeht.
Nadine Baerwald ist vom Konzept der tiergestützten Pädagogik absolut begeistert. „Ich kann es nur befeuern“, sagt sie. „Es ist wirklich, wirklich schön.“
Vielen Dank für den durchaus positiven Artikel, der dennoch auf die Besonderheiten eines Hundes im Kontext Kindergarten hinweist. Ich hatte selbst einen Labrador, der sich sicher auch sehr gut als Begleithund geeignet hätte. Ich denke, das solche Zusammenkünfte (Hund und Kinder) das Verständnis ggü. Tieren fördern. Allerdings dürfen die Kinder nicht davon ausgehen, dass jeder Hund (bzw dessen Besitzer) über soziale Kompetenz verfügt.
Sicherlich schult es die Wahrnehmung der Kinder. Darauf zu achten, was will das Gegenüber (der Hund) mir sagen? Im Optimalfall gibt es einen Transfer (das Miteinander betreffend) auch auf zwischenmenschlicher Ebene.