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„Künstlerische Arbeit ist auch soziale Arbeit.“ Im Gespräch mit dem Künstler Rainer Ehrt

Rainer Ehrt hat für das Unionhilfswerk den Jubiläumskalender 2022 gestaltet. Der renommierte Maler, Grafiker und Illustrator widmet sich seit vielen Jahren immer wieder historischen Themen, malt oder zeichnet aber auch Motive ganz im Hier und Jetzt. Für das Unionhilfswerk fand er sehr besondere visuelle Übersetzungen unserer Themen. Von unseren Wurzeln im zerstörten Nachkriegsberlin im Jahr 1947 bis in die Gegenwart mit der ganzen Vielfalt unserer sozialen Dienstleistungen. Was ihn dazu bewogen hat, Künstler zu werden, was ihn in seiner Arbeit geprägt hat und was ihn in seiner Rolle als Künstler umtreibt, beantwortet er hier.

Rainer Ehrt in seinem Atelier in Kleinmachnow

Was hat Sie dazu bewogen, Künstler zu werden – Kindheitstraum oder Ausdruck eines rebellischen Geistes?

Zwei gewissermaßen genetische Prägungen haben sicher dazu beigetragen: Der Großvater Ehrt hatte eine Mal- und Zeichenschule besucht, seine künstlerischen Ambitionen dann aber einem profanen Sägewerksbesitzer- und Holzhändlerdasein opfern müssen. Die Mutter, Deutschlehrerin, weckte früh das Interesse für Literatur und Kunst. Schon als Schüler, wenn ich aus der Stadtbibliothek kam, war meine Tasche neben Romanen und kulturhistorischen Büchern auch immer mit Kunst-Bildbänden gefüllt.

 

Sie sind in Wernigerode im Harz geboren worden und haben in Sachsen-Anhalt ihre künstlerische Ausbildung absolviert. Was hat Sie am meisten geprägt?

Im kleineren ostdeutschen Staat wurden die Traditionen figürlicher und politisch engagierter, kritischer Kunst besonders gepflegt. Ein – wie ich finde – ebenso legitimer und lebendiger Zweig, wie alle anderen am großen Baum der Kunst. Vorbilder und Assoziationsräume gehen auf die Renaissance und den Symbolismus ebenso zurück wie auf die Bilderwelten von zum Beispiel Max Beckmann, George Grosz, Käthe Kollwitz oder Heinrich Zille. Auf den großen zentralen Kunstausstellungen in Dresden wurde ich sodann besonders mit den verrätselten, mythologisch aufgeladenen, handwerklich profunden Bildwelten der „Leipziger Schule“ (Strömung der modernen Malerei der 1970er bis 1980er Jahre, überwiegend geprägt von Leipziger Künstler*innen, Anm. d. Red.) bekannt, die mich nachhaltig geprägt haben.

 

Was hat Sie dazu bewogen, Sachsen-Anhalt zur verlassen und nach Potsdam zu gehen?

Das Studium an der „Hochschule für Kunst und Design Halle Burg Giebichenstein“ in den achtziger Jahren war einerseits von hohen Standards des künstlerischen Handwerks geprägt wie andererseits von einem recht freizügigen studentischen Leben – meine Partnerin lernte ich bei einem der ausgelassenen und aufwändig inszenierten Hochschulfaschings kennen. Sie bekam als Design-Absolventin eine Wohnung hier in Kleinmachnow am Berliner Stadtrand zugewiesen und ich zog erst einmal mit ein, bis wir die Chance bekamen, ein Haus zu kaufen und uns im Garten Ateliers bauten. Es scheint beinahe, dass hier mehr als nur Zufall waltete, denn Preußen als historisches wie kulturelles Phänomen hatte mich schon immer fasziniert – nun widmete ich meine Diplomarbeit mit Plakaten und Illustrationen diesem Thema.

 

Haben Sie Lieblingsthemen? Wenn ja welche Themen und warum?

Geschichte, Mythologie, Eros, Literatur – das sind kurz gesagt meine Inspirationsquellen. Daraus entstehen freie Zeichnungen, Druckgrafik, Künstlerbücher, aber auch Illustrationen und Cartoons. In der Breite meiner Interessen liegt künstlerische Neugier und die Abenteuerlust auf inhaltlich wie formal Neues: Daher die Ausflüge in Malerei und Holzplastik.

 

Was ist für Sie in Ihrer Arbeit „Pflicht“ und was ist „Kür“?

Als „Allrounder“, der ausschließlich von seiner künstlerischen Arbeit lebt, bewege ich mich im Spannungsfeld zwischen Auftragskunst und freien Arbeiten, die im eigenen Auftrag entstehen. Auftragswerke sind immer auch mit der Herausforderung verbunden, eine gute Balance zwischen den Ansprüchen des Kunden und dem künstlerischen Eigensinn zu finden – dies ist noch einmal eine Kunst für sich, die Kunst der Kommunikation. Aber auch freie Arbeiten sind für mich immer mit Kommunikation verbunden – sowohl mit den eigenen Phantasien als auch mit denen der Betrachter. Verbindlich ist für mich in jedem Fall, etwas Gültiges, Kraftvolles, sinnlich Bewegendes abzuliefern; wenn dann bei Auftraggeber oder Publikum auch noch „der Funke überspringt“ würde ich das als einen Moment von Glück bezeichnen.

 

Sie haben den Jubiläums-Kalender für das Unionhilfswerk gestaltet und auf diese Weise einen ersten Eindruck von der Vielfalt dieses sozialen Trägers erhalten. In den verschiedenen Bereichen des Unternehmensverbunds begegnen wir immer wieder Kolleg*innen, die neben Ihrer sozialen Arbeit in der Betreuung zu einem gleich großen Anteil kreativ arbeiten – sei es in der Bildenden Kunst, im Theater oder im filmischen Kontext. Können Sie sich das erklären?

Meiner Herkunft und meinem Erfahrungshorizont nach ist Kunst niemals nur abgehobener Selbstzweck, formales Spiel, Marktobjekt oder dekorativer Zierat, sondern sollte immer auch einen sozialen Sinn haben. Umgekehrt ist künstlerische Arbeit – hauptberuflich wie nebenbei – in diesem Sinne selbstverständlich auch soziale Arbeit.  Die Erfahrung für einen sozialen Träger wie das Uniohilfswerk zu arbeiten, war für mich neu in dieser Komplexität und Breite. Sie sollte auch wenigstens annähernd in dem Jubiläumskalender zum Ausdruck kommen. Ich hoffe, dies ist mir einigermaßen gelungen!

2 Kommentare zu “„Künstlerische Arbeit ist auch soziale Arbeit.“ Im Gespräch mit dem Künstler Rainer Ehrt”

  1. Klaus Körner |

    Wenn Herr Ehrt, was ihn ehrt, den Jubiläumskalender gestaltet und ein Interview zu seiner Arbeit gibt, sollte der Hinweis auf seine Webseite nicht fehlen: https://rainerehrt.de/. Da kann man noch viele andere Werke von ihm beäugen.

    Und als Norddeutscher darf ich mal fragen, wer denn auf dem Segelboot, das im Juli so schnittig durch die Wellen gleitet, das Steuerrad führt.

  2. André Kühlewind |

    Guten Tag,

    Tolle Arbeit!!!
    In meiner Freizeitgestaltung ist Kunst weit oben.
    Die Rohrfeder und die Tusche sind meine Werkzeuge.
    Eventuell kann man sich gegenseitig inspirieren.

    Liebe Grüße

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