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„Zum Glück suche ich keinen Kitaplatz mehr!“

Sabine Brode ist Kitaleitung in unserem Montessori-Kinderhaus Reinickendorf und hat zunehmend mit verzweifelten Eltern zutun, die einfach keinen Kitaplatz finden. "Das war absehbar", sagt sie und fordert mehr gesellschaftliche Verantwortung.

Viele Eltern fühlen sich in der Kitaplatzsuche alleingelassen
Viele Eltern fühlen sich in der Kitaplatzsuche alleingelassen

Guten Abend,
Ich habe Ihre E-Mail-Adresse vom Jugendamt erhalten.
Ich bin auf der Suche nach einem Kitaplatz für meinen Sohn, spätestens ab August 2018. Die mündliche Zusage eines Kitaplatze bei uns in der Nähe hatten wir bereits. Vor einer Woche wurde dieser telefonisch wegen Erziehermangels abgesagt.

Ich bin alleinerziehende Mutter und stehe seit gestern wieder in Arbeit. Bis August ist die Versorgung meines Kindes gesichert und alles mit meinem Arbeitgeber abgesprochen. Der Kitagutschein ist bereits vorhanden.

Ich hoffe auf baldige Rückmeldung!

Mit freundlichen Grüßen…

Solche und ähnliche Anfragen kommen immer häufiger in den Kitas des UNIONHILFSWERK an. Eltern bangen um ihre Existenz, weil sie keinen Platz bekommen. Eine Mutter berichtete mir verzweifelt und entnervt, dass ich die 50. Kita berlinweit sei, die sie anruft. Für Einzelberatungsanfragen habe ich keine Zeit mehr. Ich verweise auf unsere Homepage und auf die mehrmals im Jahr stattfindenden „Tage der offenen Tür“. Werbung für unser Haus versuche ich weitgehend zu vermeiden, da ein Vormerkordner schon längst nicht mehr reicht. Allein auf der Warteliste unseres Kinderhauses stehen mehr als 200 Namen…

Der Kitaplatzmangel war absehbar

Seit Jahren hat sich eine Unterversorgung mit Betreuungsplätzen für die 0 bis 6-jährigen Kinder abgezeichnet. Aufgrund des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz ab dem 2. Lebensjahr, Änderung des Einschulungsalters und der Zunahme an Geburten bzw. des allgemeinen Bevölkerungszuwachses hatten die Dachverbände schon länger auf eine drohende Versorgungslücke hingewiesen.

Laut Berechnung der zuständigen Senatsverwaltung werden bis zum Ende des Kitajahres 2019/2020 30.000 zusätzliche Plätze benötigt – damit aber auch 5.000 zusätzliche pädagogische Fachkräfte. Allerdings fehlen schon jetzt etwa 1.000. Von den zurzeit 3.000 fehlenden Plätzen können geschätzt 2.000 nicht belegt werden – Träger übergreifend! Wegen unbesetzter Stellen und krankheitsbedingter Ausfälle ist unser Kollegium am Limit. Ersatz gibt es kaum – nicht einmal über Leasingfirmen.

Quereinsteiger helfen aus

Trotz Erweiterung der Ausbildungskapazitäten kommen nicht genügend Fachkräfte bei uns an. Viele suchen sich besser bezahlte Tätigkeitsfelder beispielsweise in Schulen oder schließen ein Studium an. In den Kitas des UNIONHILFSWERK beschäftigen wir seit Jahren sogenannte Quereinsteiger – Erzieher in berufsbegleitender Ausbildung – und versuchen darüber hinaus Sozialassistenten hinzuzunehmen. Die freien Träger sind in dieser Hinsicht Vorreiter und haben viel dazu beigetragen, die Situation zu verbessern. Dennoch hat die Arbeit mit Quereinsteigern Grenzen: Unter anderem müssen Schultage eingeplant und Anleitungen gewährleistet werden. Außerdem legt die Aufsichtsbehörde bürokratische Hürden in den Weg.

Bei uns hat das alles nun zur Folge, dass ich für unseren Elementarbereich nur EIN Kindergartenkind (Geschwisterkind) im Sommer aufnehmen kann. Ich mache mir Sorgen, dass es nicht mehr selbstverständlich sein wird, Geschwisterkinder zu aufzunehmen.

Gesellschaftliche Anerkennung fehlt

Zum Glück suche ich keinen Kitaplatz mehr! Ich bin erstaunt und dankbar, dass es bei all dem Frust und Ärger trotzdem immer wieder zu sehr guten Gesprächen kommt und sich die Eltern für unsere Geduld bedanken.

Unser Beruf, den ich mit Überzeugung seit 1975 ausübe und auch immer wieder ergreifen würde, muss dringend eine gesellschaftliche und auch finanzielle Aufwertung erfahren. Denn Berlin braucht dringend pädagogische Fachkräfte, die neben Kompetenz viel Herz, Liebe und Motivation mitbringen.

 

 

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