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„Es war uns eine Ehre“ – Betreuungsteam begleitete Christa Matthes bis zuletzt

Gehört das Sterben zum Leben? Wie lange darf ein Mensch mit geistiger Behinderung entscheiden, was er möchte? Wie gehe ich mit meiner eigenen Angst vor dem Altern und Sterben um? Inwieweit können, wollen, dürfen wir Menschen am Lebensende versorgen? Alle diese Fragen drängen sich uns in der Eingliederungshilfe mehr und mehr auf.

Abschiedstisch zu Ehren von Christa Matthes
Abschiedstisch zu Ehren von Christa Matthes, die friedlich in ihrer häuslichen Umgebung einschlafen konnte

Wir konnten einer Bewohnerin den Wunsch erfüllen, zu Hausen zu sterben. Es war beeindruckend zu sehen, wie sich alle der Situation gestellt und an einer Lösung mitgearbeitet haben, um Christa Matthes ein selbstbestimmtes Leben bis zuletzt zu ermöglichen.

Wo geht es hin?

Christa Matthes

Christa Matthes
© Fotogruppe Joachim-Fahl-Haus

Im Januar dieses Jahres hatte sich der gesundheitliche Zustand von Christa Matthes so verschlechtert, dass wir anfingen, uns ernste Sorgen zu machen. Sie konnte das Bett nicht mehr verlassen und essen und trinken wollte sie immer weniger. Da wir uns nicht erklären konnten, wo das Problem liegt, haben wir mit ihr besprochen, ins Krankenhaus zu gehen. Wir wollten eine möglicherweise behandelbare Krankheit nicht übersehen. Zögernd willigte sie ein und ließ sich wiederholt von uns versichern, dass wir sie so schnell wie möglich wieder nach Hause bringen. Die Mitarbeitenden aus dem Betreuungsdienst ließen es sich nicht nehmen, sie fast zu jeder Mahlzeit im Krankenhaus zu besuchen, ihr das Essen zu reichen und das Pflegepersonal vor Ort zu unterstützen. Nach diversen Untersuchungen wurde klar, dass Frau Matthes nicht mehr lange zu leben hatte. Ihr Herz wurde immer schwächer. Sie wurde im Beisein unserer Kolleginnen und Kollegen von den Ärzten auch so aufgeklärt, dass sie verstehen konnte, was das für sie bedeutet.

Neue Wege suchen

Für uns wurde klar, dass wir unseren Betreuungs- und Versorgungsansatz ändern mussten. Wir wollten alles tun, damit Christa Matthes ihre letzten Tage so verbringen konnte, wie sie es sich wünschte. Als erstes haben wir eine ethische Fallbesprechung einberufen, an der alle wichtigen Beteiligten teilnahmen. Wir haben uns über Themen wie Nahrungs- und Flüssigkeitsverweigerung, Schmerzen und Atemnot ausgetauscht und uns bei allen Entscheidungen daran gehalten, wie wir unsere Bewohnerin aus vorherigen Situationen kannten. Unsere Handlungen haben wir an ihren Aussagen und aus unseren Erfahrungen mit ihr ausgerichtet. Als nächsten Schritt haben wir eine Palliativmedizinerin und einen Pflegedienst für die medizinische Betreuung hinzugezogen. Das brachte vor allem für die Kolleginnen und Kollegen aus dem Betreuungsdienst Entspannung, da jetzt rund um die Uhr kompetente Ansprechpersonen zur Verfügung standen.

Neue Wege gehen

Unser Ziel war es, dass Frau Matthes möglichst wenig Schmerzen und Luftnot haben sollte. Die verantwortungsvolle Aufgabe für die Mitarbeiter im direkten Kontakt war, ihren Zustand zu beobachten und abzuleiten, welche Reaktionen zu erfolgen hatten. Das Erlernen neuer Maßnahmen wie z. B. das Lagern, um ein Druckgeschwür zu vermeiden, war eine komplexe Herausforderung – das emotionale Begleiten von Christa Matthes und das Aushalten des Sterbens – auch für die anderen Bewohnerinnen und Bewohner – aber war eine weitaus größere. All dies wurde in multidisziplinärer Zusammenarbeit hervorragend bewerkstelligt. Wir haben es geschafft, dass sie nur alleine war, wenn sie es wünschte. Sogar in der Nacht hat sich das Team ans Bett gesetzt. Alle haben sich eingebracht und sind die Extrameile mitgegangen.

Zitate der Betreuungsteams

Zum Abschluss soll das Betreuungsteam zu Wort kommen, um von seinem Weg zu erzählen.

»Hilfreich war für uns die ethische Fallbesprechung, das ehrliche Gespräch mit der Palliativmedizinerin und die Unterstützung von Seiten der Heimleitung und des Fachdienstes für Gesundheitsfragen. Das gab uns Sicherheit.«

»Die Tatsache, dass Christa Matthes ihren Zustand anzunehmen und zu akzeptieren schien, machte es uns leichter, ihren Sterbeprozess zu begleiten.«

»Wir hatten insbesondere anfänglich, bzgl. der Lagerung und Dekubitusprophylaxe (Vorbeugung des Wundliegens, Anmerkung der Redaktion) Bedenken, ob unsere Maßnahmen den Notwendigkeiten entsprechen.«

»Es war eine Herausforderung, in dieser emotionalen Atmosphäre einen Spagat zwischen eigenen Befindlichkeiten (z. B. eigenen Erfahrungen) und dem professionellen Umgang mit jenen der Klienten zu gewährleisten, zumal es an Vorkenntnissen fehlte.«

Es war uns eine Ehre

Christa Matthes ist in der Nacht vom 12. Februar 2020 im Alter von 82 Jahren friedlich von uns gegangen. Wir sind traurig. Aber auch dankbar, dass wir sie bis zuletzt begleiten durften.

Ein Kommentar zu “„Es war uns eine Ehre“ – Betreuungsteam begleitete Christa Matthes bis zuletzt”

  1. I.Wussmann |

    Ein sehr schöner nachvollziehbarer Text zu einem wichtigen Thema.
    Wunderbar das Frau Matthes zuhause sterben konnte und es Alle ermöglicht haben!
    Mehrere Hüte ab – sehr ermutigend!

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