Im Rahmen des Schichtwechsels gestalteten Menschen mit Behinderung vom 19.-22.9. das Programm und moderierten gemeinsam mit Katrin Wosch die Mittagsstunde. Das holperte manchmal, war dafür aber umso authentischer. Das Thema Werkstatt für behinderte Menschen fand auch im restlichen Programm immer wieder einen Platz. So gab Andreas Sperlich in seiner Funktion als Sprecher der LAG WfbM Berlin e.V. ein Interview zum umstrittenen Thema Entgelte.
Hier stellte er klar, dass auch die Werkstatt-Vertreter*innen für eine gerechtere Entlohnung der Beschäftigten einträten. Und das nicht erst mit Aufkommen der aktuellen Diskussion, sondern schon seit 20 Jahren. Entscheidungen darüber würden jedoch von der Politik auf Bundesebene getroffen – und hier fehle es ihm an politischem Willen. Das Ziel müsse sein, eine wertschätzende Entlohnung aus einer Hand zu schaffen.
radioeins inklusiv – Kritik an Entgelten in Werkstätten für Menschen mit Behinderung | radioeins
Wie durchlässig ist unsere Arbeitswelt?
Den Abschluss der Themenwoche bildete eine Talkrunde zum Thema „Wie durchlässig ist unsere Arbeitswelt?“. Mit dabei Raul Krauthausen von den Sozialhelden e.V. und Beatrix Babenschneider (Übersetzerin für Leichte Sprache, ehemalige Werkstatträtin) sowie Teilnehmer*innen der Themenwoche. Wie üblich, stellte der Medienprofi und Aktivist Raul Krauthausen viele Behauptungen gegen Werkstätten auf: Sie würden die Menschen nicht genug fördern, sie festhalten und nicht zuletzt ausbeuten.
Beeindruckend war, wie Beatrix Babenschneider und die vielen Werkstattbeschäftigten aus dem Publikum dagegen hielten. Zwar nicht mit der mediengeübten Wortgewandtheit ihres Gesprächspartners, dafür aber aus eigener Betroffenheit und Erfahrung. Nicht wenige berichteten davon, wie sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt krank geworden seien.
Raul Krauthausen sollte abdanken
Eins stellte Beatrix Babenschneider ganz deutlich klar: Raul Krauthausen sei nicht der Anwalt der Werkstatt-Beschäftigten. Dies seien die gewählten Werkstatträte. Sie sprechen für die Menschen mit Behinderung, von denen viele oft gar nicht auf den ersten Arbeitsmarkt (zurück) möchten.
radioeins ist hier zu danken, für den Mut und das großartige Engagement, Menschen mit Behinderung zu Wort kommen zu lassen.
Themenwoche radioeins inklusiv | radioeins
Schichtwechsel diesmal auch in Brandenburg
Die USE gGmbH macht von Beginn an beim Schichtwechsel mit. Diesmal auch mit großen Einsatz am Brandenburger Standort. So konnten die Kolleg*innen aus Teltow u.a. den Bürgermeister von Teltow, Thomas Schmidt, für den Aktionstag gewinnen. Er brachte sein Können als gelernter Koch in der Kantine am USE-Standort in der Biomalzfabrik ein. Im Gegenzug konnte ihm Martin Berg aus dem Digitaldruck bei seinen Regierungstätigkeiten über die Schulter schauen.
Auch das Familienzentrum Philantow engagierte sich in diesem Jahr erstmalig. Drei Beschäftigte der USE bekamen dort die Möglichkeit, sich im Haus zu betätigen. Eine sehr aufregende Sache, denn für alle Beteiligten war es der erste Schichtwechsel.
Zuerst ein Besuch in der Küche: Dort bereitete Daniela Leuchtenberger alles fürs große Familienfrühstück vor. Schnippeln, Anrichten und das Buffet aufbauen – schließlich erwartete das Philantow am nächsten Tag viele Gäste. Frau Leuchtenberger, die eigentlich in der Kantine der USE Teltow arbeitet, war begeistert: „Die Leute im Philantow sind alle sehr freundlich!“ Am Nachmittag begleitete sie noch das Café. Das Herzstück des Hauses wird übrigens liebevoll „Wohnzimmer von Teltow“ genannt.
Im Kreativraum war Steffen Wittig zugange. Er wechselte von der USE-Tischlerei Teltow in die Hausmeisterei des Philantows. „Anfangs war ich aufgeregt“, erzählt er, „denn Schichtwechsel ist nicht der Alltag.“ Mit der Laubsäge erstellte er Weihnachtsfiguren anhand von Holzschablonen. Das war die Vorarbeit für die Kinder, die demnächst den Schmuck bemalen dürfen. Weihnachten 2022 steht schließlich fast vor der Tür.
Beate Wolter arbeitet in der Teltower USE-Verwaltung – wo sie eine der allerersten Beschäftigten gewesen ist. Das Philantow kannte sie bereits durch Besuche mit der eigenen Familie. Akribisch half sie bei der Abrechnung der Handkasse. Die monatlichen Kaufbelege mussten sortiert und in einer Excel-Tabelle digitalisiert werden. „In der USE habe ich ein ähnliches Aufgabengebiet“, sagt sie stolz.
Im Anschluss wurden die Schichtwechsler*innen von der Leitung Frau Tannert durch das Philantow geführt. Mit vielen neuen Eindrücken saßen sie danach gemeinsam beim Essen. Frau Strahtmann aus einer Eltern-Kind-Gruppe hatte extra als Dankeschön für sie gekocht. Ein traditionelles Gericht aus ihren Heimat Norddeutschland: Birnen, Bohnen und Speck. Ein gelungener Abschluss des ereignisreichen Tages.
Der Termin für den Schichtwechsel 2023 steht bereits: 12. Oktober
Schade, dass Sie hier das leidenschaftliche Engagement für Menschen mit Behinderung von Raul Krauthausen so verunglimpfen müssen. Ohne mutige Menschen wie ihn, wäre die Gesellschaft in Sachen Inklusion und Gleichstellung längst nicht so weit, wie sie heute ist. Dass mitunter die Mühlen des Politikbetriebs langsamer mahlen das ist eben so.
Sicher brauchen Menschen mit Beeinträchtigungen geschützte Räume. Aber: sie brauchen auch: faire Arbeitsbedingungen und ein würdiges Einkommen für ihre Arbeit.
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Es war nicht meine Absicht, Raul Krauthausen zu verunglimpfen. Unbestritten sind seine Leistungen als Inklusions-Aktivist und ohne Frage braucht es Menschen wie ihn, die immer wieder warnen und fordern.
Dennoch hat er in dieser Runde einige Behauptungen aufgestellt, die so nicht zutreffen. Da hätte die Moderatorin mehr nachhaken können. Denn auch hier lohnt ein differenzierter Blick.
Deutlich wurde an dem Abend, dass viele Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten beschäftigt sind, seine Meinungen nicht teilen. Auch wenn die meisten für ein besseres Entgelt sind. Das wollte ich zum Ausdruck bringen.
Toller Text. Beeindruckender Schichtwechsel. Danke für die Einblicke!