Die Faszination der Erde und ihrer Materialien
Johanna Rothe: Können Sie ein bisschen etwas darüber erzählen, wie die Bilder dieser Ausstellung entstanden sind?
Angelika Dufft: Mich haben schon immer Landkarten fasziniert, besonders seit es die Möglichkeit gibt, dass jeder Mensch online Satellitenfotos ansehen kann! Da reise ich gerne um die ganze Welt und habe dabei wunderschöne dekorative Stellen auf der Erde gefunden, bei denen ich dachte: Daraus musst du mal eine Bilderserie machen! Ja, und in der langweiligen Coronazeit habe ich dann endlich angefangen und bin auch konsequent dabei geblieben.
Ich habe auch schon vorher gerne Bilder mit Materialien gemacht. Dabei habe ich gern Strippe, Sackleinen oder goldenes Stanniol eingearbeitet und dachte: Das ist genau das Material, das ich jetzt wieder nutzen möchte, einschließlich offener Wellpappe oder verschrumpeltem Papier, das irgendwo übrig geblieben ist. Das hat mir sehr gefallen und mir viel Freude gemacht. Man sieht ja auf den Bildern, was da alles drin gelandet ist und verarbeitet wurde – bis hin zu Kaffeegrund.
Johanna Rothe: Auf anderen Bildern habe ich auch ein Zitronennetz entdeckt, und zerknittertes, bemaltes Zeitungspapier! Das sind wirklich tolle Effekte, die da entstehen!
Bei der Mutter abgeguckt
Johanna Rothe: Frau Dufft, Sie sind 1955 in Mahlow bei Berlin geboren und lebten fast ihr ganzes Leben in Neukölln. Dabei haben Sie mehrere künstlerisch-grafische Ausbildungen gemacht, u.a. beim Lette Verein und an der Hochschule der Künste. Können Sie sich noch erinnern, was Sie zum Zeichnen und Malen gebracht hat?
Bei meiner Mutter habe ich mir schon früh abgeguckt, wie sie die wunderschönen Märkischen Kiefern, Schilf und Kraniche zeichnet. Tannenzweige, kleckernde Kerzen und vieles andere malte sie auf die Adventplakate unserer Gemeinde.
Frauen (nicht) in der Kunstwelt
Angelika Dufft: Einmal, als ich im Keller war und in einem Schrank stöberte, fand ich eine Mappe mit unglaublich schönen Zeichnungen, die meine Mutter bei Nachtwachen auf der Kinderstation im Krankenhaus gemalt hatte. Das erfuhr ich aber erst viele Jahre später. Die standen den Rötelzeichnungen von Rubens in nichts nach. Ich kann verstehen, dass sie eine unglaubliche Wut in sich hatte. Das ist echt traurig!
Johanna Rothe: Einerseits schön, dass sie bei ihrer Arbeit trotzdem gemalt hat. Aber dass sie für diese Bilder keine Anerkennung, auch keine materielle, bekommen hat, das ist bitter.
Angelika Dufft: Ja, das ist schon traurig. Aber auf der anderen Seite bin ich so glücklich und dankbar, dass mich andere Menschen dabei unterstützt haben, meinen Weg zu gehen. Allerdings nicht, um Geld damit zu verdienen. Dafür mussten andere Jobs herhalten. Aber die Kunst brachte mir nebenbei immerhin ein finanzielles Bonbon von bis zu 1000 Mark im Jahr ein. Darüber war ich schon heilfroh und es half mir manchmal auch aus finanziellen Schwierigkeiten heraus.
Vom Lette Verein und von der Hochschule wurde ich nicht gefördert. Ich glaube, auf Frauen legte man damals keinen großen Wert. Frauen haben ja selten in der Geschichte der Kunst überhaupt eine Chance gehabt, ernst genommen zu werden. Selten ist ihnen zugestanden worden, dass es sich um mehr als ein hübsches Hobby handeln könnte. Das ist eine große Schwierigkeit. Ohne Förderung, ohne Vermittlung zu Galeristen und Menschen, die etwas in der Kunstwelt zu sagen haben, anderem „Vitamin B“ oder ausreichenden Finanzen im Rücken – aber das hatte ich nun erst recht nicht –, ohne all das das hatte „Frau“ keine Chance.
„Ich fühl mich sauwohl hier!“
Johanna Rothe: Sie haben bereits viele verschiedene Ausstellungen gemacht. Was bedeutet es für Sie, Ihre Kunst in der KBS TERRA auszustellen?
Angelika Dufft: Zweierlei. Das eine ist die Freude, überhaupt mal wieder auszustellen, weil das letzte Mal schon wieder dreizehn Jahre her ist. Da war ich bei der Veranstaltung „48 Stunden Neukölln“. Aber das sind ja immer nur drei Tage und ich habe da auch kein Bild verkauft. Früher habe ich öfter in Restaurants ausgestellt. Meine allererste Ausstellung hatte ich mit 20. Das war der Moment, als ich aus der Absicht, mich umzubringen, gerettet wurde. Ich habe bis heute schwer mit einer Depression zu kämpfen und bin nachträglich auch auf ADS diagnostiziert. Aber ich bin mit Medikamenten gut eingestellt und durch diese ganzen Umstände glücklich, die KBS TERRA gefunden zu haben.
Ich fühl mich sauwohl hier! Anders kann ich es nicht sagen. Mit all dem, was ich selbst gerne tue, mache ich auch anderen gerne eine Freude. Auch wenn es nur ein kleiner Anstupser ist, um herauszufinden, was jemand kann und was ihm oder ihr wirklich Spaß macht. Das war einer der Hauptgründe, warum ich mich entschlossen habe, hier anderen Besucherinnen und Besuchern auch mal zu zeigen, wie ich künstlerisch arbeite!